Sprung aus den Wolken

Es ist ungewöhnlich, im Alter von 73 Jahren einen Fallschirmsprung aus 4.000 Metern Höhe zu wagen. Doch dieser Tandemsprung war für Sibylle Wiedemann immer ein Traum, und es sollte Jahrzehnte dauern, bis sich die Seniorin diesen Wunsch erfüllen konnte. Angst vor dem Sprung hatte sie nicht, denn „Angst hat mir in meinem Leben nie geholfen“.

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Eine Rentnerin, die sich so etwas zutraut, stellt man sich resolut und entschieden vor. Doch: „Ich war mein Leben lang alles andere als entscheidungsfreudig“, erklärt die ehemalige Lehrerin. Sie hat funktioniert – im Beruf genauso wie bei der Erziehung ihrer beiden Kinder. Erst nach dem Tod ihres Mannes vor fünf Jahren hat die Witwe mühsam gelernt, Entscheidungen zu treffen. Darauf ist sie inzwischen richtig stolz. Ein Beispiel: „Vor einem Jahr habe ich nach langem Hin und Her mein Haus verkauft. Es war viel zu groß, der Garten war nur noch ein Klotz am Bein. Ich musste Ballast abwerfen.“ Umgezogen ist Sibylle Wiedemann in eine 52 Quadratmeter große 2-Zimmer-Wohnung mit Balkon in der Seniorenresidenz Alsterpark (Hamburg-Alsterdorf) der Vereinigten Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft (vhw). Bereut hat sie die Entscheidung nie. „Es war ein schönes Gefühl, mich neu einzurichten. Ich fühle mich in der Gemeinschaft geborgen und angenommen, denn ich bin nicht dafür geschaffen, allein zu leben.“

Nach ihrem Fallschirmsprung berichtet Sybille Wiedemann: „Alle Gedanken sind ausgeschaltet. Dann wird man plötzlich geschubst. Man lässt sich fallen und stürzt mit vielleicht 200 Stundenkilometern ins Nichts. Du denkst: Wann ist bloß der freie Fall zu Ende? Es kommt einem wie eine Ewigkeit vor, obwohl es nur etwa 50 Sekunden sind. Dann beginnt in rund 1.500 Metern Höhe die sanfte Phase. Es wird leise, du schwebst und siehst die Welt von oben in ihrer ganzen Schönheit. Jetzt kann man den Sprung wirklich genießen. Das Glücksgefühl dauert vielleicht fünf bis sechs Minuten. Und nach der Landung wusste ich: Ja, ich kann es. Und ich kann noch viel mehr!“